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Positiv zu negativ, schwarz zu weiß – wie Zeichen und Logos im Zuge ihrer Farbumkehrung Ausdruck und Aussage verändern können

Positiv Negativ Zeichen – Rotes Kreuz / Schweizer Kreuz
Positiv Negativ Zeichen – Rotes Kreuz / Schweizer Kreuz

Ein rotes Kreuz auf weißem Grund, und ein weißes Kreuz auf rotem Grund – zwei augenscheinlich gleiche Zeichen, bezogen auf den Umriss des Kreuzes. Mit der Farbumkehrung ändert sich jedoch nicht nur die Erscheinung, auch die mit den jeweiligen Zeichen verbundenen Botschaften sind andere. Positiv und negativ sind keineswegs dasselbe in Grün.

Noch vor 30, 40 Jahren waren Corporate-Design-Vorgaben sehr restriktiv. Die Darstellungsformen eines Marken-/Unternehmenslogos, in welcher Farbe und Art und Weise es in Erscheinung tritt, war limitiert. CD-Vorgaben gibt es nach wie vor, doch sind diese vor dem Hintergrund der breitgefächerten Ausprägung von Markenidentität heutzutage in vielerlei Hinsicht offener, variabler. Audi-Ringe sieht man heute in schwarz und in weiß, jeweils in drei unterschiedlichen Strichstärken, in standard, medium und light.

Die Digitalisierung hat die Art und Weise, wie wir miteinander kommunizieren, auch wie Marken mit uns kommunizieren, grundlegend verändert. Maximale Flexibilität und Variabilität gelten heutzutage, um die Vielzahl unterschiedlicher Kommunikationskanäle möglichst passgenau und zielgerichtet bespielen zu können, als selbstverständlich. Ein entscheidender Aspekt scheint mit der Zeichen- und Bilderflut, der wir uns gerade in der digitalen Welt konfrontiert sehen, untergegangen zu sein. Die Variabilität birgt so ihre Tücken.

Kehrt man die Farbgebung eines Zeichens um, ändert sich mitunter dessen Bedeutung. Wie das Beispiel des roten Kreuzes veranschaulicht. Aus dem roten Kreuz, dem Absender der gleichnamigen internationalen humanitären Hilfsorganisation, wird im Zuge einer Invertierung das Schweizerkreuz, das Nationalsymbol der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Die jeweilige Entität bedingt ein ganz bestimmtes visuelles Erscheinungsbild. Nur als Negativform, in weiß auf rot, kann dieses Zeichen als Schweizerkreuz interpretiert werden, ist die dahinter stehende Identität (Schweiz) identifizierbar.

„Bedingt“ bezieht sich hier keinesfalls auf Vorgaben eines CD-Manuals, vielmehr sind damit umfassendere normative Kräfte gemeint. Gewisse Zeichen, Symbole und auch Logos sind mit ganz bestimmten Erscheinungsformen konnotiert, mehr noch, ihre Erscheinungsform ist determiniert, somit in gewisser Weise unfrei. Die Darstellungsform etwa des Schweizerkreuz ist im Bundesgesetz (232.21) verankert. So wie die Verwendung des roten Kreuzes, als Erkennungszeichen für „Erste Hilfe“, im Rahmen von Verkehrszeichen determiniert und standardisiert ist, und zwar Europa-weit, der Einheitlichkeit und schnellen Identifizierung wegen. Auch das Aussehen anderer Verkehrszeichen, des Verkehrsschutzzeichens (Blindenzeichen) und weiterer Zeichen ist genau festgelegt.

Viele semiotischen Zeichen (Symbole, Farben, Objekte, Figuren, Orte, u.a.) haben im Laufe der Jahrhunderte eine kulturelle Zuschreibung erfahren, stellen somit eine Bedingung dar, zumindest eine Vorgabe, die es bei der Gestaltung/Kreation zu berücksichtigen gilt. So etwa das in der chinesischen Philosophie verwurzelte Konzept Yin und Yang, dem Prinzip komplementär einander entgegengesetzter, gleichsam sich ergänzender Kräfte. Die Zuschreibung, wonach das Schwarze (Yin) Dunkelheit, Ruhe, Tiefe, Weiblichkeit, Weichheit verkörpert und das Weiße (Yang) Helligkeit, Lebendigkeit, Höhe, Männlichkeit, Härte symbolisiert, lässt sich bis 1.000 v. Chr. zurückverfolgen. Die Globalisierung nivelliert die Verschiedenheit der Kulturen, doch sie hat diese nicht aufgelöst.

Viele Zuschreibungen, die der Mensch im Laufe der Jahrhunderte vorgenommen hat, leiten sich von der Natur ab. So wie Rot (Blut, Feuer, Lava) im farbpsychologischen Sinne als Ausdruck für Energie, Kraft aber auch für Gefahr verstanden wird. Auch die Natur „formuliert“ Vorbedingungen, bezogen auf die Erscheinungsform eines grafischen Zeichens – was am Beispiel des WWF-Logos veranschaulicht werden soll.

Den Pandabären des World Wide Fund For Nature (WWF) gibt es nur als Positivform, nur schwarz auf weiß. Aus gutem Grund. Kehrt man die Farbgebung um, geht der Charakter, der gewünschte Ausdruck und der Sinn verloren. Aus dem Pandabären wird im Zuge der Invertierung eine Art Geisterfigur. Ein Schreckgespenst.

Positiv Negativ Zeichen – WWF Logo, Quelle: WWF, Bildmontage: dt
Schwarzer Panda auf weißem Grund = WWF Logo, Quelle: WWF, Bildmontage: dt

Damit ein Panda als Panda erkennbar ist, und die mit diesem Tier verbundene (positive) Wirkung erzeugen kann, braucht es die für diese Bärenart so typische Zeichnung im Bereich der Augen, und zwar in schwarzer Farbe, nicht in weißer. Aus dieser Notwendigkeit heraus leiten sich klar umrissene, um nicht zu sagen strikte Gestaltungsregeln ab: das Logo hat stets in schwarz vor weißem Hintergrund zu stehen, wie im WWF-Styleguide festgelegt.

Das klingt erst einmal, wo einem die Werbung doch heute grenzenlose individuelle Entfaltung verheißt, ungewohnt einengend, geradezu dogmatisch. Viele Markenmacher haben dafür offenbar lediglich ein Meh-Emoji parat. Doch die Stringenz sorgt für Klarheit (aus Nutzerperspektive), sowie für gute Sichtbarkeit und optimale Wiedererkennbarkeit der Marke. Ähnlich restriktiv in dieser Hinsicht sind auch die Vorgaben im Styleguide des Deutschen Roten Kreuz (DRK): nur in absoluten Ausnahmen, in „unvermeidlichen Fällen“, wie es dort heißt, darf das Rote-Kreuz-Logo als Negativform verwendet werden.

Mit einer Farbumkehrung von Positiv auf Negativ, vice versa, verändern sich also Ausdruck sowie Wirkung und Wahrnehmung eines Zeichens. Keinesfalls eine neue Erkenntnis. Adrian Frutiger beschreibt in seinem Buch „Der Mensch und seine Zeichen“ (1978) diesen veränderten Ausdruck mit dem Begriff „Erscheinung“.

„Das positive Zeichen, irgendeiner Form, auf weißem Grund gesetzt, besitzt einen unabhängigen Ausdruck im Gegensatz zu dem Zeichen, das negativ auf einem Grund erscheint. Denn der Grund selbst besitzt eine formale Limitierung. […] Zwei genau identische Zeichen, einmal in schwarz auf weißem Grund, einmal in weiß auf schwarzem Grund, ergeben nicht dieselbe Erscheinung. Das weiße Zeichen wird immer größer und dicker erscheinen als das positive Zeichen. Der Grund ist die größere Ausstrahlungskraft des weißen Lichtes gegenüber der schwarzen Abdeckung.“

Adrian Frutiger, Schriftgestalter

Frutiger spielt auf den Umstand an, dass unser Auge Licht und Dunkelheit nicht symmetrisch wahrnimmt. Schuld daran sind Nervenzellen, welche dem Gehirn Informationen zur Intensität des Lichts vermitteln. Helle Flächen überstrahlen dunkle Flächen, wirken größer (Helmholtz–Kohlrausch effect). Stärker noch als von biologischen Faktoren, oder von technischen Restriktionen, wird visuelle Gestaltung von Mensch-gemachten Normen beeinflusst. Normen, die Vorstellungen erzeugen, wie etwas auszusehen hat. Gewisse Normen gilt es aufzubrechen, andere zu berücksichtigen. Voraussetzung dafür ist, dass man diese kennt.

Während das Rote Kreuz, der WWF oder auch der Reifenhersteller Continental bei ihrem Logo ausschließlich eine Positivform verwenden, setzen andere Unternehmen ausschließlich eine Negativform ein, etwa Lego. Seit knapp 50 Jahren wird das Lego-Logo innerhalb der Markenkommunikation einzig als Negativform eingesetzt, in der Form mit invertiertem weißem Schriftzug, umgeben von zwei Outlines (schwarz und gelb) vor rotem Grund (in der Regel als Quadrat). Gleiches bei Starbucks: die „Siren“-Figur besteht (seit 2011 ) aus einer Negativform (weiße Linien im grünen bzw. schwarzen Kreis). Auch das Känguru im Qantas-Logo existiert nur als Negativform, stets wird es in weiß auf rot bzw. auf schwarz abgebildet.

Kriterien wie Einheitlichkeit, Klarheit und optimale Wiedererkennbarkeit werden bei der Konzeption und Entwicklung von Designlösungen zunehmend weniger stark gewichtet, treten scheinbar in den Hintergrund. Was zum Problem werden kann. In Folge der Entwicklung hin zu einem mitunter extrem breitgefächerten Produkt- und Leistungsportfolio, Stichwort Markenelastizität, entstehen multicolore Markendesigns, wie bei Fanta, RTL, Merck oder Bauer Media Group, jeweils mit dem Ziel, auf diese Weise Vielfalt zu transportieren, auch Digitalität, Multimedialität, Agilität, Offenheit. Unter dem Namen Polaroid, DER Fotomarke schlechthin, werden neuerdings auch Lautsprecher vertrieben.

Nicht mehr nur die Stammkundschaft gilt es abzuholen und anzusprechen, verstärkt auch junge Zielgruppen werden adressiert, wie jüngst bei Oettinger. Biermarken transformieren zu Getränkemarken. Aus Schoko- oder Keksmarken sind Süßwarenmarken geworden, das gesamte Naschspektrum einschließlich Eiscreme mit abdeckend. Allen gleichermaßen gerecht werden, bedeutet aus Markensicht eine Zerreißprobe. Allzu oft bleibt dabei das Spezifische auf der Strecke, das Unverwechselbare der visuellen Identität.

Nicht nur Kulturen gleichen sich im Zuge digitaler Vernetzung an, mit ihnen auch Markendesigns – teils bewusst (wirtschaftl. Wettbewerb), teils unbewusst. Mehr Variabilität in der Farbgebung bedeutet keinesfalls per se eine Verbesserung. Viele Markenlogos (Nike, Apple, Audi, u.v.a.) können sowohl als Positiv- wie auch als Negativform dargestellt werden, ohne dass sich ihre Bedeutung signifikant verändert. Ein Automatismus resultiert daraus jedoch nicht. Mitunter verwässert, verschlechtert und verändert eine Umkehrung / Invertierung die Aussage eines Zeichens, eines Logos.

Drei schwarze Punkte auf gelbem Grund = Verkehrsschutzzeichen (Blindenzeichen)
Drei schwarze Punkte auf gelbem Grund = Verkehrsschutzzeichen (Blindenzeichen)

Drei schwarze Punkte auf gelbem Grund = Verkehrsschutzzeichen (Blindenzeichen)

Weiße Grafik auf blauem Grund = Verkehrsschild Autobahn

Weiße Grafik auf blauem Grund = Verkehrsschild Autobahn

Roter Kreis auf weißem Grund = Nationalsymbol Japan

Roter Kreis auf weißem Grund = Nationalsymbol Japan

Drei schwarze Punkte auf gelbem Grund = Verkehrsschutzzeichen (Blindenzeichen)Weiße Grafik auf blauem Grund = Verkehrsschild AutobahnRoter Kreis auf weißem Grund = Nationalsymbol Japan

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